Laufveranstaltungen in Zeiten von Corona. Vielleicht mein Lieblingsevent ist der Wings for Life World Run. “Laufen für die, die es selber nicht können” und somit laufen für einen guten Zweck, nämlich die Rückenmarksforschung. Für einmal ist nicht die Leistung wichtig, dabei sein ist alles. Speziell das Konzept mit der mobilen Ziellinie. Ein Catcher Car heftet sich an deine Fersen – überholt er dich, bist du raus. Dieses Jahr natürlich etwas anders als sonst, nämlich als App Run. Jeder für sich und doch gemeinsam.
Beim Wings for Life World Run starten alle Teilnehmer weltweit zur selben Zeit. Dabei ist es unwichtig, ob man Spitzensportler, Hobbyläufer oder blutiger Anfänger ist. Eine Ziellinie gibt es nämlich nicht. Stattdessen startet 30 Minuten nach dem Start ein virtuelles Catcher Car und überholt die Läufer und Rollstuhlfahrer nach und nach.
Das Beste: Alle Startgelder und Spenden gehen zu 100 % in die Rückenmarksforschung und helfen dabei, Querschnittslähmung zu heilen.
Eigentlich gibt es bei mir 2020 einen Terminkonflikt und so steht der World Run gar nicht in meinem Kalender. Nun, wegen Corona ist der andere Termin leider abgesagt. Nicht gestrichen ist der Lauf, eine gute Gelegenheit also, mal einen App Run zu testen und zu schauen, ob das gute Laune macht.
Vorbereitung
Die App ist am Vortag schnell installiert, das Startgeld (plus zusätzliche Spende) bezahlt und schon geht es los auf einen Testlauf. Natürlich bekomme ich nun regelmässig Pushnachrichten, die Vorfreude steigt, der Countdown läuft. Über die sozialen Medien erfahre ich, wer sonst noch dabei ist. Neben viel Prominenz auch Leute aus meinem internationalen Bekanntenkreis.

Der Lauf
km 0 – der Startschuss kommt über meinen Kopfhörer, gleichzeitig starten in 104 Länder über 70’000 andere Läufer, jeder für sich und doch gemeinsam. Bei mir ist es 13.00 Uhr, bei anderen mitten in der Nacht.
km 1 – die Stimme in meinem Ohr feuert mich an: “Wow, du gehst ab wie eine Rakete”. Haha, ich gehöre eher zum Team Schnecke, aber es motiviert.
km 2 – “du fliegst ja nur so über die Strecke”, höre ich. Nur gut kann mich der Mann im Ohr nicht sehen.
km 3 – ich renne mausbeinallein durch ein Waldstück, da meldet sich der Fahrer vom Catcher Car mit den Worten: “früher oder später werde ich dich kriegen”. Der macht mir Angst, das ist wie im Krimi.
km 4 – die Stimme aus dem off: “Du bist so eine Maschine” – ja genau!
Die “Maschine” ist gerade völlig hingerissen von der Natur und nimmt sich Zeit zum fotografieren.

km 5 – “Nichts und niemand kann dich aufhalten”, wird mir ins Ohr geflüstert. Vielleicht doch, mein innerer Schweinehund meldet sich, er hat keine Lust mehr zu rennen.
km 6 – Die mir bereits sehr vertraute Stimmt fragt: “Wie lebt es sich auf der Überholspur? Also immerhin habe ich den Schweinehund überholt.
Und schon bin ich wieder abgelenkt von den schönen Dingen im Wald, es ist Zeit für ein paar weitere Fotos.

Doch die Trödelei rächt sich bald, der Catcher Car meldet sich: “Ich bin nur noch 500 Meter hinter dir”. Oje, und dann verschärft er auch gleich noch das Tempo.
km 7 – “deine mentale Stärke möchte ich haben”, behauptet die Stimme im Kopfhörer. Das hilft mir jetzt auch nicht mehr. Noch 300 Meter, 200 und schon hat es mich erwischt. Game over!

– Als letzte Frau wird eine Russin nach sagenhaften 54.2 km vom Catcher Car eingeholt. Am aller längsten kann ein Engländer davon rennen, unglaubliche 69.9 km lang.
– Alle App Runner haben gemeinsam 924’960 km zurückgelegt.
– Der Catcher Car brauchte 4:11 Stunden, um alle Teilnehmer zu überholen.
– Insgesamt kamen Spenden in Höhe von Euro 2,8 Millionen zusammen.
Zum Vergleich, am realen Lauf habe ich jeweils 10 km geschafft, also deutlich mehr. Aber darum geht es eben nicht. Auch wenn ein App Run in keiner Art und Weise Ersatz für eine Laufveranstaltung ist, mich hat es motiviert, meine Corona-Laufpause zu beenden. Es hat Spass gemacht, mit dem Mann im Ohr unterwegs zu sein.

So sieht der Lauf in “normalen” Zeiten aus: