Eigentlich wollte ich mit einer Freundin übers Wochenende mit dem Bus oder Zug nach München, um eine gemeinsame Bekannte zu besuchen. Doch plötzlich ist da diese Idee, warum nicht mit dem Rad von der Schweiz nach Bayern fahren? Ja, warum eigentlich nicht! Schlussendlich wird daraus ein grösseres Projekt und wir strampeln den Bodensee-Königssee-Radweg ab – plus einige Extra Kilometer und eben einem Abstecher nach München.
Radvergnügen auf 453 km vom Bodensee zum Königssee. Von Westen nach Osten startet der Bodensee-Königssee-Radweg in Lindau im Allgäu und durchfährt die Zugspitz Region, die Ammergauer Alpen und das Blaue Land, das Tölzer Land, die Alpenregion Tegernsee Schliersee, das Chiemsee-Alpenland und den Chiemgau, bis er schliesslich am Königssee im Berchtesgadener Land endet.
Aus Zeitmangel teilen wir den Bodensee-Koengissee-Radweg auf zwei Jahre und zwei Touren auf. Beide Male fahren wir (ungefähr) in die Mitte nach Bad Tölz. Zuerst starten wir am Bodensee und ein Jahr später am Königssee.

Bodensee-Königssee-Radweg – Teil 1 (2018)
von Lindau bis Bad Tölz
Anreise: Wir reisen aus der Schweiz nach Friedrichshafen an (Fähre ab Romanshorn) und fahren entlang dem Bodenseeradweg zum Ausgangspunkt Lindau (27.8 km / 40 Hm).

Lindau – Oberstaufen (51.8 km / 590 Hm)
Sehenswert in Lindau ist der Leuchtturm mit einem wunderschönen Blick auf die angeblich schönste Hafeneinfahrt Deutschlands. Sobald wir auf den Bodensee-Königssee-Radweg einbiegen, sind wir weg vom Trubel und haben die Landstrassen für uns alleine. Bald beginnen die ersten Steigungen, doch alles halb so schlimm. Da haben wir uns definitiv viel zu viele Sorgen gemacht. Der Duft der Lindenbäume begleitet uns den ganzen Tag. Wir fahren durch verschlafene Dörfer, jedes geschmückt mit einem hübschen Maibaum.
Der Durst führt uns in ein Pilgerhaus, da kaufen wir Getränke und dürfen unsere Wasserflaschen mit frischem Quellwasser füllen. Mit der Zeit werden die Beine schwer und wir sind froh, das Ortsschild in Oberstaufen zu erblicken. Doch oh Schreck, bis in die Ortsmitte geht es nochmals über einen Hügel. Irgendwo biegen wir falsch ab und müssen die letzten Kilometer auf der stark befahrenen Hauptstrasse fahren. Entschädigung ist das tolle Hotel sowie der Kaiserschmarren am Marktfest. Den Abend verbringen wir im gemütlichen Restaurant Kuhstall.

Oberstaufen – Nesselwang (54.4 km / 450 Hm)
Ernüchterung am Morgen, 11 Grad und Sprühregen! Und das nennt sich Sommer. Wir zögern die Abfahrt hinaus und trödeln durch den Supermarkt. Gegen Mittag machen wir uns auf den Weg und probieren unsere Regenbekleidung aus. Alle paar Minuten ziehen wir uns um. Poncho oder Regenjacke? Regenhose oder doch noch eine andere Jacke? Alles wird ausgepackt und getestet. Bis wir das perfekte Tenue gefunden haben, hört es auch schon wieder auf zu regnen.
Irgendwie kommen wir heute nicht vom Fleck. Zuerst wollen Kühe fotografiert werden, dann erfreut der grosse Alpsee unsere Augen und für ein Schwätzchen hier und da nehmen wir uns ebenfalls gerne Zeit. Ab Immenstadt strengen wir uns aber an und treten kräftig in die Pedale, es sind noch einige Höhenmeter zu bewältigen. Nun scheint die Sonne, so macht es Spass. Bei der hübschen Kirche in Petersthal rasten wir eine Weile.
Unser gebuchtes Hotel liegt etwas oberhalb vom Dorf Nesselwang. Ein steiler Fussweg führt hinauf, da hilft nur schieben. Wir sind schon etwas stolz, wenn wir jeweils sehen, wie die anderen Hotelgäste nach Steckdosen suchen, um die Akkus ihrer E-Bikes aufzuladen.
Traditionsreiche Allgäuer Küche wird im Brauerei-Gasthof Hotel Post serviert. Dazu darf ein frisch gezapftes Bier nicht fehlen.

Nesselwang – Trauchgang (45.8 km / 230 Hm)
Noch etwas verschlafen verpassen wir heute Morgen gleich zu Beginn eine Abzweigung, bemerken den Fehler zum Glück schnell. Zurück also auf Feld eins, beim zweiten Anlauf erwischen wir den richtigen Weg. Eine fantastische Fahrt durch schattigen Wald erwartet uns. Als Belohnung für die geschafften Höhenmeter wartet der Hopfensee, idyllisch gelegen und nett für eine Kaffeepause. Leider laden die Temperaturen nicht zum Baden ein.
Füssen streifen wir nur kurz für einen Pipi-Stopp und eine Schweizer Wandergruppe beschenkt uns mit Bonbons. Nächstes Ziel ist das Märchenschloss von König Ludwig. Die Touristenmassen, Currywurst-Buden und Souvenirshops überfordern uns, aber wenn wir schon mal da sind, wollen wir Neuschwanstein sehen. Mit dem Bus fahren wir hoch zur Marienbrücke (Fahrverbot für Fahrräder), der Blick auf das Schloss ist überwältigend.
Am Bannwaldsee herrscht wieder paradiesische Ruhe. Im Campingplatz-Restaurant soll es übrigens leckeren Kuchen geben, nur erfahren wir das leider zu spät.
Wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, da wohnen wir heute. Die Unterkunft in Trauchgang ist perfekt. Natur pur und ein unglaublich lustiger und schlagfertiger Gastwirt. Ein leckeres Schnitzel und ein würziger Obstler runden den wunderbaren Tag ab.

Trauchgang – Kochel am See (67.1 km / 410 Hm)
Unsere Fahrt geht weiter, heute oft auf Schotter. Einmal mehr achten wir zu wenig auf die Wegweiser und stehen plötzlich vor der Wieskirche, da wollten wir gar nicht hin. Die Wallfahrtskirche zählt seit 1983 zum Weltkulturerbe und wird jährlich von mehr als einer Million Menschen besucht. Der Abstecher lohnt sich allemal. Die Fahrt zurück auf die Haupt-Route ist nicht beschildert und etwas abenteuerlich. Eher für Mountainbikes als für Tourenvelos geeignet, macht aber einen Riesenspass. Ein netter lokaler Radler stoppt und fragt „Madl, kommts zrecht“?
Eine freundliche Dame auf dem Rennvelo weist uns später den (schlecht markierten) Weg nach Bad Kohlgrub. Da kaufen wir in einem kleinen Tante-Emma-Laden Verpflegung und machen auf dem Dorfplatz Mittagspause. Es gesellen sich weitere Radler dazu.
Nach der Rast geben wir Gas, ein Gewitter sitzt uns im Nacken. Noch eine kurze Aufhellung, doch in Ohlstadt holt uns die Regenfront ein und es blitzt und donnert. Mindestens eine halbe Stunde hocken wir in einem Bushäuschen und warten auf eine Regenpause, gut haben wir Kekse.
Trocken erreichen wir unsere Unterkunft in Kochel. Doch kaum haben wir das wohlverdiente Bier (aus dem Automaten) ausgetrunken, kommt der nächste Wolkenbruch und wir bringen mit einem Sprint unsere Fahrräder vor dem Hagelsturm in Sicherheit. Nach dem Essen scheint schon wieder die Sonne und der Kochelsee beschert uns einen fantastischen, wenn auch kühlen Sonnenuntergang. Was für ein erlebnisreicher Tag.

Kochel am See – Bad Tölz (26.1 km / 160 Hm)
Leider hat der Wetterbericht recht behalten, Dauerregen ist angesagt. Zum guten Glück steht eine kurze Etappe auf dem Programm. Beim Kloster Benediktbeuern kaufen wir eine Tafel Schokolade, das hübsche Café ist leider noch geschlossen.
Nicht viel später bekommen wir Begleitung von einem einsamen Radler aus Stuttgart. Der Herr fährt bis Bad Tölz mit uns mit und hat einiges zu erzählen. Klatschnass erreichen wir am Mittag unser Hotel in Bad Tölz. Nach einer heissen Dusche und einem Tee mit Rum geniessen wir den freien Nachmittag im Städtchen. Nett ist das Café Heimat. Bald radelt unsere Freundin aus München an, auch bei ihr tropft alles. Wir feiern unser Wiedersehen, die Bürgersteige werden jedoch früh hochgeklappt in Bad Tölz, man schmeisst uns mehr oder weniger charmant aus der Bar.

Rückreise: In Bad Tölz verlassen wir den Bodensee-Königssee-Radweg, fahren entlang der Isar weiter bis München (53.8 km / 270 Hm) und treten von da die Heimreise (FlixBus) an.
Bodensee-Königssee-Radweg – Teil 2 (2019)
vom Königssee bis Bad Tölz
Anreise: Wir reisen mit dem Zug von Zürich nach Salzburg und fahren entlang dem "Mozart Radweg" zum Ausgangspunkt Schönau am Königssee (50 km / 230 Hm).
Achtung: Fahrradplätze in der ÖBB (Österreichische Bundesbahn) sind limitiert. Daher unbedingt frühzeitig reservieren.
Königssee
Einer der schönst gelegenen Seen Bayerns mit seinem smaragdgrünen Wasser und von Bergen umgeben. Für eine Boots-Tour zum Wahrzeichen der Halbinsel S. Bartholomä, sind wir zu spät dran, so begnügen wir uns mit einem Spaziergang zum Aussichtspunkt „Malerwinkel“ und kühlen die Füsse im Nass.
Später besuchen wir einen Biergarten nahe der Unterkunft und probieren einen Schnaps aus Enzianwurzeln (über dem Königssee handgegraben und 7 Jahre in Eschenholzfässern gelagert). Nach einem Verdauungsspaziergang sitzen wir eine Weile im Garten und beobachten Glühwürmchen. Was für ein toller Tag und ein gelungener Auftakt für unsere Tour.

Schönau – Siegsdorf (72 km, 550 Hm)
Wir sind zurück auf dem Bodensee-Königssee-Radweg. Dieses Jahr radeln wir zu viert, unsere Freunde aus München sind mit dabei. Bis Berchtesgaden geht es wunderbar schattig entlang der Königsseer Ache. Doch dann wird es heiss, heisser, zu heiss, an jedem Brunnen füllen wir unsere Trinkflaschen.
Bekannt ist Bad Reichenhall, wunderschön gelegen in einem Flusstal. Die hübsche Altstadt mit mediterranem Ambiente wirkt am Sonntagmorgen wie ausgestorben. Weiter geht es auf und ab durchs Berchtesgadener Land, im Blick der Watzmann, einer der höchsten Berge in Deutschland. In Piding kommen uns Pferde entgegen, da findet gerade ein Volksfest statt. Nach einem anstrengenden Anstieg zur Kirche in Anger lockt ein schattiger Biergarten, wir stärken uns mit Wurstsalat und Rhabarberschorle und geniessen den herrlichen Ausblick. Kurz darauf lädt der Högelwörthersee zu einem erfrischenden Bad.
Anschliessend wird es so richtig brutal, sengende Hitze, glühender Asphalt, kaum Schatten. Wir erklimmen Hügel um Hügel. Vorbei an Teisendorf und Traunstein, die Hitzeschlacht bringt uns an unsere Grenzen. Das letzte Stück entlang der Traun ist zum Glück flach und schattig, trotzdem sind wir froh, in Siegsdorf unseren Gasthof zu erreichen.
Wie könnte es anders sein, unsere Zimmer befinden sich im zweiten Stock ohne Lift, zwei steile Treppen müssen wir uns hoch kämpfen. Nach dem Essen reicht meine Energie noch knapp zu einem Dorfspaziergang. Bekannt ist das Mammut-Museum, das aber am Abend natürlich geschlossen ist.

Siegsdorf – Bad Feilnbach (64 km und 300 Hm)
In der Nacht hat es kaum abgekühlt, erholt fühlen wir uns nicht. Doch es ist nicht mehr ganz so heiss wie gestern, ein paar Wolken kündigen Gewitter an. Es radelt sich gut, wir kommen flott voran, fahren durch Bergen und Grassau. Die tolle Routenführung begeistert uns immer wieder.
Unterwegs kaufen wir in Aschau süsse Erdbeeren direkt am Feld und suchen ein Schattenplätzchen, um diese zu verspeisen. Nun sind wir im Chiemgau, den Chiemsee sehen wir allerdings nicht. Langsam verdunkelt sich der Himmel, wir geben Gas. Schweren Herzens verzichten wir auf eine Pause im hübschen Neubeuern, das 1982 zum schönsten Dorf Deutschlands gewählt wurde. Dank einer Abkürzung schaffen wir es buchstäblich in letzter Sekunde nach Bad Feilnbach bevor der Himmel seine Schleusen öffnet.
Es ist noch früh. Mit Bier und Kuchen aus dem Supermarkt sitzen wir gemütlich im Hotel auf dem Balkon. Eine Regenpause nutzen wir für einen Spaziergang in den Kurpark.

Bad Feilnbach – Bad Tölz (65km, 760 Hm)
Unser letzter Tag auf dem Bodensee-Königssee-Radweg beginnt mit einem zünftigen Aufstieg. Weiter führt der Weg durch wunderbare Landschaft an den Schliersee. Zum Baden ist es zu windig, für einen Picknick-Stopp perfekt.
Auf der Weiterfahrt Richtung Tegernsee kommt es zu einer lustigen Begegnung mit einem Burschen, der gerade aus dem Schulbus steigt. Er erklärt uns wie blöd die Schule sei, holt sein Fahrrad aus dem Gebüsch und fährt nach Hause.
Nach Gmund am Tegernsee folgt nochmals ein anstrengender Aufstieg, hoch nach Marienstein. Anschliessend geht es zum Glück mehrheitlich runter, durch ein tolles Moorgebiet bis Bad Tölz. Da verabschiedet sich unsere Reisebegleitung und reist mit dem Zug heim nach München. Nun noch zu zweit, fahren wir ins Hotel und treffen später eine Bekannte zum Essen in der wunderbaren Einbachmühle.

Rückreise: In Bad Tölz verlassen wir den Bodensee-Königssee-Radweg, auf dem "Radweg München-Venedig" geht es weiter an den Achensee (65 km / 600 Hm) und am nächsten Tag nach Innsbruck (53 km / 150 Hm). Von Innsbruck fahren wir mit dem Zug zurück nach Zürich.
- Der Bodensee-Königssee-Radweg ist wunderschön, meist abseits von stark befahrenen Strassen. Die Anstrengung ist jedoch (ohne E-Bike) nicht zu unterschätzen.
- Bewährt hat sich, die Strecke vorgängig aufs Smartphone zu laden, nicht überall sind die Schilder gut zu erkennen.
- Auf der ersten Reise waren wir eher spontan unterwegs und haben die Unterkünfte immer erst am Abend für den nächsten Tag (online) gebucht. Auf der zweiten Reise haben wir alle Unterkünfte im Voraus reserviert. Beides hat seine Vor- und Nachteile und ist abhängig von persönlichen Vorlieben und Ansprüchen, Saison, Wetter und der Anzahl benötigter Zimmer.

Hier geht es weiter zu meiner Velotour quer durch die Schweiz (Mittellandroute)