Angeln? Wie kann man nur, das ist todlangweilig. Da muss man Tiere töten und Innereien entfernen, voll eklig. Ich und Fischen? Nie im Leben. Und dann, vor einigen Jahren, finde ich mich eines Tages völlig zufrieden in einem Fischerboot wieder, in der Nähe von Iquitos, mitten im Dschungel auf dem Amazonas. Mit einem fremden Mann, den ich kaum verstehe und mit einer Angelrute in der Hand. Wie konnte das passieren?

Iquitos
Mitten im peruanischen Amazonasgebiet liegt die Dschungelstadt Iquitos, abgeschnitten von Strassen, erreichbar nur mit dem Flugzeug oder Boot. Vielleicht gerade wegen dieser Abgeschiedenheit boomt der Tourismus. Ein idealer Ort, um zu einer Entdeckungstour im Dschungel aufzubrechen.
Iquitos ist auf meiner Südamerika-Tour die erste Destination, die ich alleine bereise. Noch habe ich nicht viel Erfahrung, Südamerika ist mir fremd und mein Spanisch reicht knapp für etwas Small Talk. Ich quartiere mich in einem kleinen Hotel ein. Da fühle ich mich wohl, nur finde ich keinen Anschluss an andere Reisende. Und bei der Suche nach einer Dschungeltour ist mir das Personal leider keine grosse Hilfe, die vermitteln zwar Touren, doch irgendwie habe ich kein gutes Gefühl.
Doch wie so oft auf Reisen kommt schlussendlich alles gut. Gerade als ich mich langsam aber sicher etwas einsam fühle, taucht ein Kanadier auf. Er kommt direkt aus einem Ayahuasca Retreat und berichtet von seinen Erfahrungen mit dem halluzinogenen Trank. Wir verquatschen einen Abend, laufen uns am nächsten Morgen zufällig wieder über den Weg und unternehmen zusammen einen Ausflug in die nähere Umgebung. Manchmal läuft es wie von selbst und Reisen könnte nicht einfacher sein.

Amazonas
Nun bleibt noch das Problem mit dem Dschungeltrip. Ich klappere Agenturen ab, habe keine Ahnung, wie ich einen seriösen von einem unseriösen Anbieter unterscheide und weiss nicht, was ein vernünftiger Preis ist. All meine Recherchen verunsichern mich eher, als dass ich schlauer werde. Dazu scheint keine Saison zu sein, ich bekomme nur Privattouren angeboten, was mir nicht so ganz geheuer ist. Doch aufgeben ist keine Option, schliesslich bin ich genau wegen des Dschungels nach Iquitos geflogen. Irgendwann gebe ich mir einen Ruck, entschliesse zu vertrauen und etwas zu wagen. Beim nächsten Angebot, dass ein einigermassen gutes Bauchgefühl auslöst, schlage ich mutig ein. Das Abenteuer kann starten.
Tatsächlich habe ich einen Guide für mich alleine, Randy und ich verstehen uns gut. Er bringt mich mit einem Boot tief in den Dschungel zu meiner Lodge, obwohl das Wort Lodge in Bezug auf meine Unterkunft etwas hochgegriffen ist. Was mich da erwartet, ist ein sehr einfaches Leben. Ich wohne in einer Hütte auf Stelzen, mehr als eine Matratze mit Moskitonetz gibt es in diesem Bretterverschlag nicht. Der nächtliche Gang aufs Klo wird zur Mutprobe, natürlich befindet sich dieses ausserhalb meiner sicheren vier Wände. Eine Steckdose suche ich vergeblich, es gibt weder Licht noch Strom und ich kann nur hoffen, dass die Batterien meiner Stirnlampe durchhalten. Aber irgendwie ist es völlig stimmig, Natur pur, digital Detox, unheimliche Geräusche und viel Zeit mit mir selbst. Die Nächte sind lang, es wird früh dunkel in Peru.
In einem grösseren Haus wird gekocht und da ist eine kleine zusammengewürfelte Reisegruppe untergebracht. So bin ich dann doch nicht ganz alleine, habe beim Essen Gesellschaft und die Jungs brühen auf ihrem Kocher starken Kaffee für mich. Tagsüber habe ich mein eigenes Programm, mit Randy streife ich durch den Dschungel und er weiss unheimlich viel. Er zeigt mir Pflanzen und Tiere, die meine Augen nie und nimmer entdeckt hätten.


Petri Heil
Zu meinem Team gehört ein zweiter Mann, ihm gehört ein kleines Fischerboot und er nimmt mich mit auf den Fluss. Und so kommen wir zurück zum Anfang der Geschichte. Ich verbringe Stunden mit diesem Fremden in der Barke und fische. Ab und zu fangen wir zum Glück etwas, denn die Beute ist unser Mittagessen. An Land entfachen wir Feuer und lassen uns den fangfrischen Fisch schmecken. Ich geniesse die ruhigen friedlichen Stunden auf dem Amazonas und bin völlig glücklich im Hier und Jetzt.




Sobald wir satt sind, streife ich wieder mit Randy durch den Dschungel, er bringt mich in ein kleines Dorf und an einen See zum Baden, denn eine Dusche gibt es im Camp nicht. Direkt neben meinem Badeplatz erledigen Frauen den Abwasch und Mädchen sind mit der Wäsche beschäftigt. Wie dankbar bin ich in diesem Moment für mein privilegiertes Leben zu Hause in der Schweiz, was für eine völlig andere Welt ist das hier.
Wir besuchen die Familie von meinem Angel-Lehrer. Als Haustier hält man sich einen Papagei. Ich liege in der Hängematte, trinke einen Schnaps, der einen Hustenreiz auslöst und spiele mit den Kindern am Fluss. Wir verständigen uns mit Händen und Füssen und ich bin unendlich froh, habe ich mich auf dieses Abenteuer eingelassen, das sind unbezahlbare Momente auf meiner Reise. Mit der Dämmerung kommen die lästigen Mücken und Randy und ich stapfen durch den matschigen Dschungel zurück in unser Lager.




Am letzten Abend beim Nachtessen ruft mich plötzlich ein Mädel der Küchencrew grinsend nach draussen. Noch während sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnen, wird mir eine Schlange um den Hals gelegt. In meiner Erinnerung ist das Reptil natürlich mindestens doppelt so lang und dick. Puuh, was für ein Abschluss von meinem Amazonas-Trip.

Nach der Rückkehr aus dem Dschungel bleiben mir zwei Tage in der Stadt bis zu meinem Flug zurück nach Lima. Ich geniesse eine ausgiebige Dusche, meine verfilzten Haare benötigen eine Haarspülung und mein Körper lechzt nach einem Drink und Pizza. Zu guter Letzt lache ich mir einen hartnäckigen und unheimlichen Verehrer an, das wäre dann aber eine andere Geschichte.

Bei meiner Abreise aus der Dschungelstadt bin ich mir sicher, wenn ich Iquitos geschafft habe, werde ich auch überall sonst in Südamerika meinen Weg finden. Die Feuertaufe als Alleinreisende habe ich definitiv bestanden.
Mehr zum Thema solo-travel (als Frau)im Artikel Alleine Reisen in Südamerika sowie weitere Geschichten aus einem meiner Lieblingsländer im Beitrag Peru – Geschichten am Wegesrand
